23.11.2017

Fragen an ... die Registrar Ruth Rasche

Share on Facebook

Wenn man als Besucher unserer Ausstellung im Flyer die Objektliste anschaut, fallen einem als Leihgeber sofort Museen und Galerien aus Berlin, Wien oder Rotterdam ins Auge. Daraus lässt sich schließen, dass nur ein ganz kleiner Teil der gezeigten Werke aus der eigenen Sammlung der Draiflessen Collection stammt. Wie gelangen also die restlichen Werke für die Ausstellung in unser Museum? Da es sich bei Kunst nicht gerade um unkomplizierte Versandware handelt, sondern um hochsensible Objekte, mitunter alt und fragil, von hohem kulturellem und damit zumeist auch monetären Wert, gestaltet sich der Prozess rund um Transport, Versicherung und Vertragliches als komplex und aufwändig.


In der Draiflessen Collection ist unter anderem für diesen umfassenden – und selbst für die direkten Kollegen fast unüberschaubaren – Bereich die Kunsthistorikerin Ruth Rasche zuständig. Nach einer mehrjährigen Tätigkeit im Museum für Lackkunst, Münster, ist sie seit 2007 Teil des Draiflessen-Teams. „Wenn Menschen wissen wollen, was ich mache, könnte ich endlos erzählen. Es ist vor allem Arbeit im Detail“, so Ruth Rasche. Befragt nach dem, was sie hauptsächlich macht, kommt prompt: „Telefonieren!“. Was sie hier lapidar in einem Begriff vereint, steht allerdings für wesentliche und unerlässliche Fähigkeiten: die der Kommunikation und der Organisation.

Anlieferung der Werke | © Draiflessen Collection

Listen, Listen, Listen

Neben den Kuratoren und dem Aufbauteam ist sie auch wortwörtlich am dichtesten an den Kunstwerken dran. Sobald die Auswahl der Exponate von unterschiedlichsten Leihgebern im Groben feststeht und die ersten Leihanfragen gestellt sind, fängt Ruth Rasches Arbeit im direkten Austausch mit den Kuratoren an. Es werden Listen erstellt, in denen sämtliche Daten und Informationen zu jedem Werk erfasst werden – wichtig für Aufbauplanung, Transport, Versicherung, Hängung etc. Diese Liste verändert sich immer wieder, vor allem bedingt durch Zu- und Absagen von Leihgebern, neue Anfragen oder vertragliche Details, die erst im Laufe des Prozesses und durchaus mal erst kurz vor Eröffnung geklärt werden.


Jeder Leihgeber – besorgt, ob seine Leihgabe optimale Bedingungen vorfindet – will den sogenannten Facility Report sehen, der sämtliche relevante Auskünfte über die räumlichen, technischen und klimatischen Gegebenheiten enthält. Nur wenn diese für das erwählte Werk gegeben sind, besteht überhaupt erst eine Chance, dass ausgeliehen wird. Als die Draiflessen Collection geplant und 2009 eröffnet wurde, erfolgte dies nach den geltenden internationalen Museumsstandards, so erfüllt sie grundsätzlich die erforderlichen Bedingungen.

Anlieferung: Yves Klein, Blaue Schwammskulptur ohne Titel, um 1960/61  | © Draiflessen Collection
Auspacken der Werke | © Draiflessen Collection

Mobilität von Kunst

Ein wesentlicher Bereich im Rahmen des sogenannten Leihverkehrs, den Ruth Rasche eher als „Mobilität von Kunst“ bezeichnen würde, ist der Transport. Kunstwerke beziehungsweise ihre Leihgeber stellen bestimmte Bedingungen, die beim Transport zu beachten sind: Zum Beispiel werden die Kunstwerke in Klimakisten transportiert, die zu starke Temperaturschwankungen vermeiden und es wird besonderes Verpackungsmaterial benutzt, das die Objekte nicht angreift. Zudem sind auch Speditionen auszuwählen, die Erfahrungen im Kunsttransport haben. Hier kann es nämlich spezifische Vorgaben oder präzise Wünsche vonseiten der Leihgeber geben, aber durchaus auch die Option, mit einer Spedition zu arbeiten, mit der wir selbst gute Erfahrungen gemacht haben. Transporte sind teuer – hier muss also auch immer eine ökonomische Lösung gefunden werden. Eine Option ist es, mehrere Werke gleichzeitig zu transportieren oder diese zwischenzulagern, um dann als Beiladung zu einem späteren Termin transportiert zu werden. Hierfür braucht man allerdings die Genehmigung des Leihgebers, sodass diese Lösung nicht für jedes Werk funktioniert. Ohne Gespür für die Kunst und Verhandlungsgeschick sowohl den Leihgebern als auch den Transportunternehmen gegenüber ginge es nicht.


Da vor allem während des Transports Schäden am Kunstwerk entstehen können, aber durchaus auch während der Dauer der Präsentation, werden die Kunstwerke versichert – auch hier gilt es zu verhandeln und die besonderen, durchaus auch höchst individuellen Auflagen für jedes einzelne Werk im Auge zu behalten. Das ist dann auch und besonders im Prozess des Aufbaus wichtig, bei dessen Beginn Restauratoren, häufig im Beisein von Kurieren der leihgebenden Museen, den Zustand jedes Exponats festhalten. Bereits vor dem Transport sowie später beim Abbau der Ausstellung werden sogenannte Zustandsprotokolle angefertigt, um eine lückenlose Dokumentation aufweisen zu können, die einer medizinischen Anamnese gleicht.

Transport eines Werks auf die Ausstellungsfläche | © Draiflessen Collection

Kulturelle Völkerverständigung

„Keine Ausstellung ist wie die andere“, betont Ruth Rasche. Klar folge sie bei der Organisation und in der Kommunikation aus der Erfahrung heraus entstandenen Routinen. Aber sie habe es mit immer neuen Museen zu tun und damit auch immer mit neuen Menschen aus unterschiedlichen Ländern, geprägt durch andere Gepflogenheiten. Da sie neben Kunstgeschichte auch Romanistik studiert hat, beherrscht sie neben Deutsch und Englisch auch Französisch und ein wenig Italienisch. Trotzdem können Sprachprobleme auftreten: So war ein polnischer Partner, der keine dieser Sprachen verstand, „ganz verzweifelt“, da die Kommunikation sehr schwierig war. Dank Google und viel Einfühlungsvermögen ist die „Völkerverständigung“ letztendlich doch gelungen und endete sogar mit einem „I love you“ in Richtung Ruth Rasche. Das ist dann doch international verständlich.

Aufbau der Ausstellung „Dem Bild gegenüber“ | © Draiflessen Collection

Der Aufbau – darüber haben wir im Blog #5 berichtet –wird von Ruth Rasche koordiniert, die immer mit Zeitplänen und Werklisten ausgestattet und auf der Fläche das Bindeglied zwischen sämtlichen Beteiligten ist. Der Gedanke, dass nicht alles wie geplant klappen könnte, verursache durchaus mal Druck, dem müsse man dann immer wieder flexibel und lösungsorientiert entgegnen. Letztlich könne sie sich darauf verlassen, dass die berufliche Erfahrung hilft, den Überblick nicht zu verlieren. Außerdem: Man wachse in den Wochen des Aufbaus eng zusammen als temporäres Team aus internen Kollegen und den wechselnden Kurieren und Restauratoren: „Fremde werden vertraut“. Gerade die Möglichkeit, Menschen aus anderen Museen zu begegnen, sich austauschen zu können, sei dabei ein ganz besonderer Gewinn.

Aufbau: Meister von Osnabrück, Christuskopf, um 1517-20 | © Draiflessen Collection

Nach dem Aufbau ist vor dem Aufbau

Nach all der Anspannung des Aufbaus und nach der Eröffnung fällt sie dennoch in kein Loch: Sämtliche Unterlagen müssen nachbereitet werden, Leihgeber erwarten Rückmeldungen und es gibt immer noch Etliches zu klären. Zu diesem Zeitpunkt ist auch immer schon die nächste Ausstellung in Planung: „Nach dem Aufbau ist vor dem Aufbau“, so resümiert Ruth Rasche.

Auspacken einer Leihgabe aus Wien | © Draiflessen Collection

Wir wollten natürlich auch von ihr wissen, welches ihr „Lieblingsstück“ ist: Sie habe mehrere, aber eines liege ihr besonders am Herzen, Lorenzo Monacos „Christus am Kreuz“, um 1405 bis 1407 entstanden. Trotz seines Alters ist es nahezu im Originalzustand, kaum restauriert, und dennoch leuchten der Goldgrund und die Farben wie neu. Das fasziniert sie ebenso wie die einige Jahrhunderte jüngere Klanginstallation von Janet Cardiff, deren Gesänge bei ihr noch unmittelbarer ihre Wirkung entfalten als es ein Kunstwerk schaffen könne: „Der Kopf ist nicht dazwischen“.

Comments

Your comment