Vier Fragen zum Glauben I
Glaube – ein Begriff, der gar nicht so leicht von individuellen Vorstellungen und Erwartungen zu trennen ist. Jeder hat sicher seine ganz eigene Idee davon, was Glaube für ihn persönlich bedeutet. Das ist womöglich auch unabhängig davon, ob man sich selbst als gläubig bezeichnen würde. Glaube wird für die allermeisten kaum von religiösen Gedanken und Praktiken zu trennen sein. Dennoch möchte sich unsere aktuelle Ausstellung ein Stück weit von herrschenden Vorstellungen und Gewohnheiten lösen – beziehungsweise zumindest eine Auseinandersetzung mit den eigenen Auffassungen anregen.
Vor dem Beginn der Ausstellung haben wir vier separate Gespräche mit Vertretern unterschiedlicher Glaubensrichtungen gesucht, um durch diese Interviews möglicherweise ebenso diverse Sichtweisen zu dem Thema ins Spiel zu bringen. Daraus ist eine vierteilige Blog-Serie entstanden, welche in jedem Teil die Antworten von Imam Luqman Ahmad Shahid, Rabbi Avraham Radbil, dem evangelischen Pastor Kay-Uwe Kopton und dem katholischen Pastor Timo Holtmann zu je einer Frage wiedergibt. Die Blogbeiträge vermitteln über die Ausstellung hinaus einen Einblick in unterschiedliche Glaubensvorstellungen.
Der erste Beitrag in dieser Serie stellt die Frage nach der Bedeutung der Termini Glaube, Liebe, Hoffnung in den unterschiedlichen Glaubensrichtungen. Dieser Dreiklang bildet auch den Ausgangspunkt der gleichnamigen Ausstellungstrilogie, die im Mai mit „Glaube“ begonnen hat.
„ … die Liebe ist die größte unter ihnen“
Wenn es um Glaube geht, dann offenbar auch direkt immer um die Liebe, da stimmten alle Interviewpartner überein. Die Pastoren Kopton und Holtmann kamen verständlicherweise beide sehr schnell auf die Bibelstelle zu sprechen, der diese Trias wortwörtlich entnommen ist: „Nun aber bleiben Glaube, Liebe, Hoffnung, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ (1. Kor 13:13). Die klassische Reihenfolge der Trias als Themenrahmen für die Ausstellungstrilogie hat sofort das Interesse des Pastors Kopton geweckt, werde doch die Liebe in der Bibel eigentlich den beiden anderen Begriffen übergeordnet. Diese Stelle mache dabei bereits deutlich, dass Paulus die drei Begriffe in enger Verbindung miteinander sieht, die Liebe aber eindeutig hervorhebt, . bilde der Vers doch den Abschluss zu einem Loblied auf die Kraft und die Weisheit der Liebe. Kay-Uwe Kopton bemerkt, dass besonders dieses Zitat häufig als Trauspruch ausgewählt werde. Die Brautpaare sähen in diesen Worten ihre eigene Liebe widergespiegelt, obwohl es Paulus um eine Liebe in einem viel weiteren Sinne gehe.
„Liebe, die nur mehr wird und nicht endet“
Auch Imam Shahid hebt hervor, dass Glaube und Liebe eng miteinander verbunden seien. Dabei sei aber der Unterschied zwischen der Liebe unter den Menschen und der Liebe der Menschen zum Schöpfer hervorzuheben. Die menschliche Liebe untereinander könne sich ständig verändern: Der Imam erläutert dies am Beispiel eines verheirateten Paares, das zunächst nur einander liebt und sich sicher sei, ihren Partner am meisten zu lieben. Doch wenn dieses Paar dann Kinder bekomme und irgendwann Enkelkinder, würden sie vielleicht feststellen, dass sie diese Kinder mehr lieben als einander, auch wenn sie das nie erwartet hätten. Damit hätte sich die Liebe der Partner zueinander im Laufe der Zeit verändert. Die Liebe, „die nur mehr wird und nicht endet“, sich also nicht verändert, könne man nur dem Schöpfer gegenüber empfinden. „Diese Liebe beinhaltet auch keine Erwartungen“, so Shahid. Darum steche die Liebe aus der Reihe der drei Begriffe hervor, sie sei der Kern des Glaubens. Oder wie Pfarrer Kopton es in seinem Interview ausdrückte: „Die Liebe dient als Schlüssel zu der Frage, wer Gott ist.“ Damit verweist er auf eine Bibelstelle am dem ersten Johannesbrief: „Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ (1 Joh 4:16)
Die göttlichen Tugenden
Für Timo Holtmann bilden Glaube, Liebe, Hoffnung das Zentrum des katholischen Glaubens, das Gott selbst berührt. Denn schließlich bezeichne man die Trias auch als die göttlichen Tugenden. Folge man an dieser Stelle den Thesen des Philosophen Josef Pieper, Tugend sei das „Richtig sein des Menschen“, erfahre man so auch etwas über Gott. Denn die göttlichen Tugenden spiegeln damit Gottes Eigenschaften wieder und liefern dem Gläubigen Wegweiser für sein eigenes Verhalten. Trotz dieser eindeutigen Besetzung der Wörter empfinde er die Begriffe für nicht dezidiert christlich, so Holtmann, da „keine Gemeinschaft auf diese Worte eine Deutungshoheit hat“. Denn immer dann, wenn eine Gruppe den absoluten Wahrheitsanspruch auf etwas erhebe, führe das Konflikten. Doch diese Auseinandersetzungen spiegeln nicht die Religionen wider, bekräftigt Holtmann.
Sind sich also alle Gesprächspartner einig, dass Glaube und Liebe so untrennbar miteinander verflochten sind, dass das eine das andere bedingt und damit untrennbar voneinander, so beinhaltet doch die Trias –in Anlehnung an die anfängliche Frage – auch das Wort Hoffnung. Was bedeutet Hoffnung in einer modernen Gesellschaft und Religion? Worauf hoffen wir?
Wo ist bei all der Liebe die Hoffnung?
Pastor Timo Holtmann ist davon überzeugt, der Kern des christlichen Glaubens sei Erlösung, gesteht aber ein, dass vielleicht von der Kraft der Hoffnung etwas verloren gegangen sei. Einen anderen Stellenwert hat die Hoffnung im Judentum: „Hoffnung prägt die jüdische Gemeinschaft seit mehr als 3000 Jahren“, sagt Rabbi Radbil – Hoffnung auf die Rückkehr in das Heilige Land, Hoffnung auf die Ankunft des Messias. Wie wichtig das Hoffen ist, werde besonders in der Nationalhymne Israels deutlich: Ihr Titel, Hatikvah, bedeutet ins Deutsche übersetzt Hoffnung. Die Beständigkeit und Allgegenwärtigkeit dieser Tugend, dieser Emotion werden damit greifbar. Imam Shahid berichtet von ähnlichen Auffassungen im Islam, wenn er sagt, dass der muslimische Gläubige die Hoffnung nie verlieren könne, würde doch jeder vom Schöpfer befreit werden. „Es wird einen Tag geben“, fährt er fort, „an dem die Hölle vollkommen leer sein wird.“ Shahid fügt noch hinzu, dass der Schöpfer einen manchmal „schubse“. Zum Beispiel durch einen Schicksalsschlag, der einen am Glauben zweifeln lassen könnte. Das sei jedoch keine Strafe, sondern nur Ermahnung. Er beschreibt, dass, sollte seine Tochter mit der Flamme einer Kerze spielen, er sie nicht davon abhalten würde sie zu berühren. So würde sie den Respekt vor dem Feuer lernen und hätte eben auch einen kleinen Schubs erhalten. Und so handle der Schöpfer auch; Ziel sei nicht die Strafe, sondern das Lernen, sich bessern. Auch das ist schließlich Hoffnung, Hoffnung auf ein Nachleben, dass nicht als Bestrafung dient, sondern als ein neuer spiritueller Zustand.