15.07.2019

Vier Fragen zum Glauben III

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Glaube – ein Begriff, der gar nicht so leicht von individuellen Vorstellungen und Erwartungen zu trennen ist. Jeder hat sicher seine ganz eigene Idee davon, was Glaube für ihn persönlich bedeutet. Das ist womöglich auch unabhängig davon, ob man sich selbst als gläubig bezeichnen würde. Glaube wird für die allermeisten kaum von religiösen Gedanken und Praktiken zu trennen sein. Dennoch möchte sich unsere aktuelle Ausstellung ein Stück weit von herrschenden Vorstellungen und Gewohnheiten lösen – beziehungsweise zumindest eine Auseinandersetzung mit den eigenen Auffassungen anregen.
Vor dem Beginn der Ausstellung haben wir vier separate Gespräche mit Vertretern unterschiedlicher Glaubensrichtungen gesucht, um durch diese Interviews möglicherweise ebenso diverse Sichtweisen zu dem Thema ins Spiel zu bringen. Daraus ist eine vierteilige Blog-Serie entstanden, welche in jedem Teil die Antworten von Imam Luqman Ahmad Shahid, Rabbi Avraham Radbil, dem evangelischen Pastor Kay-Uwe Kopton und dem katholischen Pastor Timo Holtmann zu je einer Frage wiedergibt. Die Blogbeiträge vermitteln über die Ausstellung hinaus einen Einblick in unterschiedliche Glaubensvorstellungen.


Während die erste Frage nach der Bedeutung der Trias „Glaube, Liebe, Hoffnung“ ergab, dass alle Interviewpartner besonders der Liebe eine herausragende Stellung einräumten, zeigte die zweite Frage nach den persönlichen Glaubensvorstellungen, dass diese nicht von der jeweiligen Position innerhalb der Religion zu trennen sind.


Im dritten Teil unseres Gesprächs haben wir nun nach dem persönlichen Werdegang der vier religiösen Vertreter gefragt: Wie sind sie zu ihrem Glauben und dann zu ihrer Funktion innerhalb ihrer Gemeinde gekommen?

Projektion in der Ausstellung Glaube | © Draiflessen Collection, Foto: Angela von Brill

Ein konsequenter Weg

Für Pastor Timo Holtmann waren der Glaube und die Religion „immer da“, da er in einem christlich-katholischen Haushalt aufgewachsen sei und habe das immer positiv und bestärkend erlebt. Der gute Kontakt zum ansässigen Pastor und das Empfinden, sich eine Welt ohne Gott gar nicht vorstellen zu können, führten schließlich zum Theologiestudium: „Ich habe gemerkt, dass der Glaube einen grundlegenden Stellenwert für mich hat“. Die positiven Erfahrungen der Kindheit setzten sich während der praktischen Arbeit als Seelsorger fort. Pastor Holtmann hat damit einen kontinuierlichen Weg beschritten, ganz ähnlich wie auch Kay-Uwe Kopton, der von klein auf in seine Heimatgemeinde hineingewachsen ist. In der Konfirmandenzeit sei dann aber schließlich der Funke übergesprungen und der Wunsch der Auseinandersetzung mit dem reformierten Glauben geweckt worden. Das habe nicht zuletzt an den zwei Pastoren der Gemeinde gelegen, die sich für die Fragen der jungen Menschen interessierten und stets mit Rat zur Seite standen. Dieser Funke habe schließlich dazu geführt, den Glauben „auch verstehen zu wollen und sich mit Glaubensfragen zu beschäftigen.“

Sich der Gemeinde widmen

Diese ganz so konsequente Orientierung seit der Kindheit gab es für Imam Luqman Shahid zuerst nicht, obwohl sein ganzes Leben klar war, dass er sich seiner Gemeinde widmen würde. In der Schule wollte er noch Arzt oder Ingenieur werden – man müsse nicht zwingend Imam sein, um seinen Beitrag für die Gemeinschaft leisten zu können. Schließlich würden überall auf der Welt Ärzte und auch Ingenieure gebraucht. Nach dem Abitur fiele es Shahid jedoch schwer das Interesse an den Naturwissenschaften aufrechtzuerhalten, weil er das Gefühl hatte, es nicht richtig zu verstehen. Aber „Religion habe ich verstanden“, fährt Imam Shahid fort und fügt hinzu, dass dabei auch religiöse Erziehung – sein Vater war auch Imam – wichtig sei, damit man seinen Weg finde. Dieser Weg hat Shahid schließlich zu einem Gelehrten des Islam gemacht, der sich den wichtigsten Aufgaben eines Gläubigen widmet: „die Liebe zum Schöpfer aufzubauen und dessen Schöpfung zu lieben.“

Eine Frage der Herkunft und Identität

Für Avraham Radbil begann die Auseinandersetzung mit dem Glauben ebenfalls erst später in seinem Leben. Er wurde in der ehemaligen Sowjetunion geboren, wo sehr lange ein allgemeines Religionsverbot galt und antisemitische Diskriminierung alltäglich war. Erst nachdem er als Jugendlicher mit seiner Familie nach Deutschland gekommen war, sei er mit dem jüdischen Glauben intensiver in Berührung gekommen: „Ich habe angefangen, mich für meine Herkunft, für meine Wurzeln zu interessieren.“ Er habe damals als junger Mensch nach seiner Identität gesucht und diese schlussendlich in der Religion gefunden.

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