Phänomen Familienunternehmen
Einblicke – Überblicke

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Die Ausstellung „Phänomen Familienunternehmen. Einblicke – Überblicke“ (11.07.2016 – 29.01.2017) nähert sich dem Thema aus einer neuen Perspektive, indem sie Unternehmerpersönlichkeiten und ihre Familien zu Wort kommen lässt: Briefe, Lebenserinnerungen, Testamente und Geschäftsprotokolle aus dem späten 18. Jahrhundert bis in die 1960er-Jahre gewähren Einblicke in die Motive ihres Handelns. In 25 sehr persönlichen Geschichten aus 13 Familienunternehmen werden so Ziele, Wünsche und Verpflichtungen der Akteure lebendig und erweisen sich als überraschend aktuell. Fast neunzig Prozent aller Unternehmen sind familiengeführt. So alltäglich diese Unternehmensform demnach also ist, so faszinierend ist sie doch. Wie sonst ist etwa der Erfolg der seit etlichen Jahren im deutschen Fernsehen ausgestrahlten Reihe „Deutsche Dynastien“ zu erklären, in denen auch Unternehmerfamilien und ihre Firmen vorgestellt werden? Neben diesem öffentlichen Interesse an Geschichte und Schicksal von Unternehmerfamilien ist das komplexe Phänomen Familienunternehmen auch immer wieder Forschungsgegenstand von Volks- und Betriebswirten, Historikern, Psychologen und Soziologen. Die Besonderheit der Unternehmensform ist die untrennbare Verbindung zweier, nach völlig unterschiedlichen Regeln funktionierender Systeme: die Familie als privater, emotional dominierter Bereich und die in erster Linie nach rationalen Erwägungen zu leitende Firma. So treffen Familienunternehmer und Familienunternehmerinnen ihre Entscheidungen in einem sich wechselseitig bedingenden Spannungsfeld, das einerseits Chancen und Freiheiten bietet, aber andererseits auch viele Fallstricke und Konflikte in sich birgt. „Family first” oder „Business first”? Die Ausstellung setzt dort an, wo „Familie“ und „Unternehmen“ unmittelbar ineinandergreifen. Sie beleuchtet die Herausforderung für die Mitglieder von Unternehmerfamilien, sich immer wieder zwischen Gefühlen familiärer Zuneigung und unternehmerischem Kalkül neu verorten zu müssen. Im Zusammenklang mit Unternehmerporträts, Familienfotos und privaten Erinnerungsstücken veranschaulichen persönliche Schriftzeugnisse wie eng unternehmerische Interessen und familiäre Belange miteinander verzahnt sind. Wertmaßstäbe und Zielvorstellungen, die mit Blick auf den angestrebten Erfolg des Unternehmens gelten, haben oft maßgeblich Einfluss auf Entscheidungen im privaten Bereich der Familie. Nicht selten entstehen so Konflikte zwischen einzelnen Familienmitgliedern oder gar ganzen Familienzweigen, die im Sinne der Familie und damit immer auch des Unternehmens gelöst werden müssen, wenn dessen Fortexistenz nicht gefährdet werden soll. „Dass die Familie jederzeit / Zusammensteh’ in Einigkeit“ heißt es auf einem Pokal der Familie Stollwerck aus dem Jahr 1905. Im Auftrag des Schokoladenfabrikanten Heinrich Stollwerck gefertigt und erstmalig der Öffentlichkeit in einer Ausstellung präsentiert, versinnbildlicht er die Bedeutung des Zusammenhalts der Familie für das Unternehmen, die Unternehmerfamilien oft durch symbolische Gegenstände wie diesen zu festigen versuchen. An anderer Stelle werden die unterschiedlichen Erwartungen und Hoffnungen deutlich, die mit der Regelung der Unternehmensnachfolge verbunden sein können: Da ist zum einen ein Brief des 15-jährigen August Bagel, der es 1825 kaum erwarten kann, seine eigenen Ideen in den elterlichen Betrieb einzubringen und seinen Vater inbrünstig um eine Verkürzung seiner Lehrzeit bittet. Da ist aber auch der Bankierssohn Eduard von der Heydt, den zu seinem 21. Geburtstag die väterliche Mahnung erreicht, sich seines Namens und seines Erbes stets bewusst zu sein und als würdig zu erweisen. Anhand solcher Schriftzeugnisse werden Konflikte und Motive der handelnden Personen unmittelbar greifbar und nachvollziehbar: Wie kann es gelingen, meine Kinder für die Übernahme der Firma zu begeistern um sie in die nächste Generation zu bringen? Kann und will ich die Bürde des Erbes tragen oder möchte ich meiner persönlichen Lebensplanung folgen? Aber auch andere unvorhersehbare Ereignisse können die Existenz der Firma bedrohen, wie ein weiteres Beispiel in der Ausstellung zeigt. 1883 verlangt der plötzliche Unfalltod des Unternehmers Christian Roeckl nach einer schnellen Entscheidung: Mit Unterstützung durch ihr familiales und gesellschaftliches Netzwerk übernimmt die Ehefrau die Geschäfte bis der Nachfolger alt genug ist, die Leitung des Betriebs zu übernehmen. Stellvertretend für viele andere sind neben der Familie Brenninkmeijer und ihrem Unternehmen C&A folgende Familien mit ihren gleichnamigen Firmen aus ganz unterschiedlichen Branchen vertreten: Bagel (Druck- und Verlagshaus), Brügelmann (Spinnerei), Falke (Spinnerei und Strickwaren), Harkort (Handel und Metallverarbeitung), Hohner (Musikinstrumente), De Kuyper (Spirituosen), Roeckl (Handschuhe und Accessoires), Steiff (Spielwaren), Stollwerck (Süßwaren), Ullstein (Druck- und Verlagshaus), Von der Heydt (Bankhaus), Warburg (Bankhaus). Zur Ausstellung erscheint eine zweibändige Publikation, deren erster Band diesen neuen, von konkreten Unternehmerpersönlichkeiten des 18. bis 20. Jahrhunderts ausgehenden Betrachtungsansatz von Familienunternehmen beleuchtet, während der zweite Band mit zwölf Beiträgen von Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen einen facettenreichen Überblick über das Thema bietet. 

Margarete Steiff bei der Arbeit

Porträt von August Bagel, gemalt von Ernst Bosch im Jahr 1880,

Pokal der Familie Stollwerck, angefertigt 1905

Bildnis von Franz Anton und Bernhardine Falke-Rohen, um 1920

Brief von Carl Harkort an seinen Bruder Johann Caspar V. vom 30.04.1815

Porträtaufnahme von Hermann Gerhard Brenningmeijer

Protokoll aus der Nachlassakte Roeckl

Porträt des Bankiers Max M. Warburg

Konvolut mit dem Testament von Johannes de Kuyper

Geschäftsübergabe-Feier der Matt. Hohner Harmonikafabrik, Trossinger Zeitung 19.09.1900

Die Brüderkonferenz. Bildnis der Ullstein-Brüder

Die Wuppertaler Bankiersfamilie Von der Heydt, um 1895

Gesuch von Johann Gottfried Brügelmann an den Kurfüsten

John von Düffel