Julian Rosefeldt
Die Ausstellung „Der Fall der Sterne“ ist so konzipiert, dass drei künstlerische Positionen in einen räumlichen und inhaltlichen Zusammenhang gebracht werden: Julian Rosefeldts (*1965) Videoarbeit „In the Land of Drought“ von 2015/17 trifft auf Albrecht Dürers (1471–1528) Darstellungen der Johannesoffenbarung, beide wiederum werden endzeitlichen Ankündigungen des Theologen Johannes Gerson (1363–1429) gegenübergestellt. Allen dreien gemeinsam ist die Vorstellung eines Weltuntergangs, der nicht als endgültiges Ende, sondern vielmehr als Beginn von etwas Neuem aufgefasst werden kann.
Zwischen dem 1965 geborenen Julian Rosefeldt und dem 1471 geborenen Albrecht Dürer liegen immerhin fast 500 Jahre, Johannes Gerson ist noch einmal gut 100 Jahre älter als Dürer. Offenbar hat das Thema Apokalypse also über mehrere Jahrhunderte die Menschen und auch die Kunstschaffenden beschäftigt und das bis in die unmittelbare Gegenwart. Es lohnt sich daher, die ausgestellten Arbeiten, aber auch die Künstler selber genauer anzuschauen. Beginnen werden wir mit dem Foto- und Videokünstler Julian Rosefeldt.
Julian Rosefeldt
Der Filmkünstler wurde1965 in München geboren und hat in München und Barcelona Architektur studiert. Von 2009 bis 2010 war er als Gastprofessor an der Bauhaus-Universität Weimar tätig und ist seit 2010 Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München. Seit 2011 hat er dort auch eine Professur inne. Rosefeldt lebt und arbeitet in Berlin.
Einem größeren Publikum ist er bekannt geworden durch die 13-teilige Filminstallation Manifesto, in der die australische Schauspielerin Cate Blanchett Hauptdarstellerin aller 13 Episoden ist. Rosefeldt hat hier Schriften von Claes Oldenburg, Yvonne Rainer, Kasimir Malewitsch, André Breton, Sturtevant, Sol LeWitt, Jim Jarmusch und anderen gekürzt, miteinander kombiniert und zu 13 neuen Textcollagen gefügt, die Blanchett monologisch spricht und spielt. „Manifesto“, so das Museum Villa Stuck, das Rosefeldts filmische Arbeit gezeigt hat, sei eine Hommage an die bewegte Tradition und literarische Schönheit von Künstlermanifesten und befragt nicht zuletzt die Rolle des Künstlers in der heutigen Gesellschaft.
Julian Rosefeldt war auch für die Draiflessen Collection kein Unbekannter: Bei einem Besuch der Berliner Galerie König 2017 traf die Direktorin Dr. Corinna Otto erneut auf eine Arbeit Rosefeldts, die sie bereits 2015 auf der Ruhrtriennale gesehen und die sie schon zu diesem Zeitpunkt tief beeindruckt hatte: Rosefeldts Film „In the Land of Droughts“ lenkt den Blick auf die nachhaltige Veränderung der Erde durch den Menschen in einer postapokalyptischen imaginären Zukunft, in der der Mensch mit den Folgen des Raubbaus an den Ressourcen der Erde unausweichlich konfrontiert ist. Aus der Vogelperspektive gefilmt, zeigen die düster-meditativen Bilder unwirtliche, trostlose Landschaften und verlassene Bauwerke. Nach und nach tauchen Gestalten in weißen Schutzanzügen auf, die nach Spuren einer vergangenen Zivilisation zu suchen scheinen. „Es entstand sofort der Wunsch, diese Arbeit in einer Ausstellung zu zeigen“, so Corinna Otto (siehe auch Blog # 11 „Der Fall der Sterne. Behind the Scenes“).
„Die Schöpfung“ von Joseph Haydn
Eine erste Fassung Julian Rosefeldts, die dann die Basis der drauffolgenden Videoinstallation bildete, wurde 2015 auf der Ruhrtriennale im Zusammenklang mit Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ aufgeführt. Die erste Version erweiterte zum einen als filmisches Szenenbild die musikalische Aufführung, sie war gleichzeitig auch das Ergebnis seiner eigenen künstlerischen Auseinandersetzung mit Haydns dreiteiliger Komposition.
Joseph Haydn hat sich für die Arbeit an seinem Oratorium das er zwischen 1796 und 1798 komponiert hat. ausführlich mit der biblischen Schöpfungsgeschichte auseinandergesetzt, ein Thema, was ihn sehr inspiriert hat. So war für ihn diese intensive Arbeit über nahezu zwei Jahre auch eine grundlegende religiöse Erfahrung, die er rückblickend so schildert: „Ich war auch nie so fromm, als während der Zeit, da ich an der Schöpfung arbeitete; täglich fiel ich auf meine Knie nieder und bat Gott, daß er mir Kraft zur glücklichen Ausführung dieses Werkes verleihen möchte.“ 1
Nachdem „Die Schöpfung“ am 29. und am 30. April 1798 in Wien im Rahmen einer geschlossenen Gesellschaft erstmals präsentiert worden war, folgte am 19. März 1799 die öffentliche Uraufführung im alten Burgtheater in Wien. Bis heute ist es eines der bekanntesten Stücke seines Komponisten und bildet international Teil des klassischen Repertoires.
Ruhrtriennale 2015
Die Aufführung von Haydns Oratorium im Rahmen der Ruhrtriennale fand in der Kraftzentrale im mittlerweile stillgelegten Industriegebiet in Duisburg-Nord statt, das in den 1990er-Jahren zu einem Landschaftspark umgebaut worden war.
Die ersten beiden Teile der Komposition widmen sich der Erschaffung der Welt in sechs Tagen, also der Erschaffung des Lichts, der Erde, der Himmelskörper, des Wassers, des Wetters und der Pflanzen sowie der Erschaffung der Fische, Vögel, des Viehs und schließlich des Menschen. Der dritte Teil spielt dann im Garten Eden.
Dieser Choreografie folgend, untermalt Rosefeldt die ersten beiden Teile mit Bildern, die er in der marokkanischen Wüste gedreht hatte, während der dritte Teil von einer Kamerafahrt über Industrielandschaften des Ruhrgebiets begleitet wurde. „Als ich von der Ruhrtriennale eingeladen wurde, einen Film zur ‚Schöpfung‘ zu machen, habe ich sofort zugesagt, weil ich direkt eine Idee dazu hatte. Mir kamen die marokkanischen Landschaften und die verlassenen Filmkulissen der Atlas-Filmstudios in den Sinn, die ich dort im Jahr zuvor auf einer Exkursionsreise mit meinen Studenten entdeckt hatte. Die Bilder, die mir jetzt beim Hören der ‚Schöpfung‘ vor Augen kommen, sind immer noch die, die mir auf meiner 3000 Kilometer weiten Reise durch ganz Marokko begegneten. (…) Es war mir sehr wichtig, dass die Bilder eine große Ruhe ausstrahlen, damit die Musik ihre Kraft entfalten kann. (…) Man ist durch die Überschneidung von Bild und Musik im Hier und Jetzt, in dieser Langsamkeit, in dem, was hier geschieht. Der Zuhörer oder Zuschauer ist dadurch dazu eingeladen, den Text noch genauer zu hören und seine musikalische und visuelle Übersetzung zu hinterfragen.“2
In the Land of Drought 2017
„Mich interessiert die Perspektive des Zurückschauens: Der Mensch kommt aus einer imaginierten Zukunft zurück in unsere Zeit und findet all das, was die Menschheit hinterlassen hat, von den verdorrten Landschaften über die Relikte der großen Kulturblütezeiten bis zu den Relikten des Industriezeitalters. (…) Die Menschen im Film scheinen auch nicht in wissenschaftlicher Mission unterwegs zu sein, aber sie huldigen vielleicht noch ihren alten, aus unserer Perspektive zukünftigen Göttern.“3 So beschreibt Julian Rosefeldt seine Videoarbeit, die er für seine Videoinstallation überarbeitet hat und die in dieser Form auch in unserer Ausstellung „Der Fall der Sterne“ präsentiert wird.
Diese zweite Version hat Rosefeldt mit einer sphärisch anmutenden, elektronischen Musik unterlegt, die nichts mehr mit Haydns Komposition gemein hat. Sie wurde als Soundkulisse extra für den Film konzipiert: „Da ich generell meine Arbeiten eher sparsam vertone, bin ich dazu gekommen, dass der Film eigentlich keinen Ton im Sinne von Musik braucht. So wird der Zuschauer stärker aktiviert. Das Ergebnis ist jetzt sehr, sehr reduziert.“4
1 Georg August Griesinger, Biographische Notizen über Joseph Haydn, Breitkopf & Härtel, Leipzig 1810).
2–4 Zitate von Julian Rosefeldt aus: Die Ruinen der Menschheit, Tobias Staab im Gespräch mit Julian Rosefeldt, Gelsenkirchen 2015.
Nachtrag
Die Draufsichten auf die Landschaften wurden mit einer Drohne gefilmt, was zu der wohl ungewohnten Perspektive und Atmosphäre des Films führt. Der Start der Filmaufnahmen in der marokkanischen Wüste hatte sich allerdings nicht ganz unkompliziert gestaltet: Kurz vor Filmstart hatte ein Hobbydrohnenfilmer den Königspalast gefilmt, was dann zu einem generellen Drohnenverbot führte. Es gelang der Filmcrew schließlich doch, die für die Filmaufnahmen notwendige Drohne „einzuschmuggeln“, weil sie von ungefährlicher Größe war und nicht als „gefährliches Spionageobjekt“ deklariert wurde, so berichtet Rosefeldt.