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RÄUME HAUTNAH

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Absalon
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Absalon

Absalon war ein israelischer Künstler, der Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre in Paris lebte. In dieser Zeit entstand in ihm der Wunsch, für sich Häuser zu bauen, die seinen Körpermaßen entsprachen, so sehr war er mit dem genormten Wohnungsbau unzufrieden. Dem 1,90 Meter großen Künstler waren zum Beispiel die Türgriffe der Mietwohnungen zu niedrig. Er entwarf sechs Häuser für sechs Städte, in denen er zu leben und zu arbeiten plante: New York, Tel Aviv, Zürich, Paris, Tokio und Frankfurt am Main. Die Modelle dazu im Maßstab 1:10 stehen jetzt vor Ihnen. Die Häuser selbst wurden wegen des frühen Todes des Künstlers leider nie realisiert. Neben diesen Modellen sind aber noch einige maßstabsgetreue Prototypen erhalten geblieben.

Absalon nannte seine Häuser Zellen. Und tatsächlich erinnern sie eher an eine Wohnkabine als an ein herkömmliches Haus. Sie sollten nicht größer als acht Quadratmeter sein. Bei der Planung ging Absalon von seinem Körper, aber auch von seinen Gewohnheiten aus – und passte sie umgekehrt den Häusern an. Wie bei einem maßgeschneiderten Anzug passte er die Räume in mehreren Anproben an: an seine Art zu schlafen, am Schreibtisch zu arbeiten oder aus dem Fenster zu schauen.

Doch die Häuser hätten keine uneingeschränkte Bewegungsfreiheit erlaubt. Er hätte nicht überall aufrecht stehen können. Für diese selbst auferlegten räumlichen Zwängen lernte er in den gebauten Prototypen neue Bewegungsmuster, die er beim Bewohnen der jeweiligen Häuser nutzen wollte. Absalon trat so in eine direkte körperliche Beziehung zu seiner Architektur: Er spürte sie am eigenen Leib.

Die räumliche Enge hätte keinen Konsum zugelassen. Beim eines neuen Buches musste ein altes weichen. Auch das soziale Leben wäre eingeschränkt: Mehr als eine Person hätte Absalon in keines der Häuser einlade können. Ich denke, man kann sagen, dass Absalons Idee der Wohnzellen einen Gegenentwurf zur klassischen Vorstellung vom Leben in Familie oder Partnerschaft darstellt – und auch zur Tendenz, Dinge anzuhäufen. Gerade an seinem Beispiel wird deutlich, wie eng unser Wohnraum mit unserer Lebensweise und unserem Denken verbunden sein kann.