18.01.2018

Schnittstelle Museumspädagogik

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Bevor wir etwas vermitteln können, müssen wir es selbst verstanden haben, denn: Museumspädagogen begreifen sich als Vermittler zwischen den Inhalten einer Ausstellung und deren Besuchern. Unverzichtbar für spannendes und lebendiges Vermitteln ist daher auch die gute Zusammenarbeit mit den Kuratoren einer Ausstellung.

Die Ausstellung „Dem Bild gegenüber“ stellte, wie  im Grunde jede Ausstellung, besondere Anforderungen über das Gestalten von Führungen für kleine und große Gäste: Die Besucher sollten zur unverstellten Betrachtung der Werke eingeladen werden, möglichst frei und ohne vorgegebene Interpretationen. Ein begleiteter Rundgang war das Ziel, statt einer klassischen Frontalführung, bei der die Rollen klar verteilt sind auf Sprecher und Zuhörer. Das bedeutete, dass kunstwissenschaftliche Inhalte und Erkenntnisse zwar jederzeit griffbereit sein, die Besucher aber auch selbst entscheiden können sollten, welche Informationen sie für ihr eigenes Verständnis brauchten. Vor allem aber sollten sie Gelegenheit haben, genau ausloten zu können, was zwischen ihnen und dem Werk passierte. Eine Herausforderung und ein Traum für Museumspädagogen gleichermaßen!

Ein Blick in den aktuellen Methodenpool der Museumspädagogik führte uns zu frischen und zugleich bewährten Techniken. Das sogenannte dialogische Führen erschien uns sehr passend, ermöglicht es doch Gespräch und Auseinandersetzung, Bezüge zur eigenen Lebenswelt und größtmögliche Freiheit in der Betrachtung von Kunst. Dialogisches Führen ist sowohl für Erwachsene, als auch für Kinder geeignet. Wir beschlossen die Umsetzung. Nach einer theoretischen Vorbereitungsphase, vielen Gesprächen mit den Kuratoren und einem vertiefenden Seminar konnten die ersten internen Probeläufe mit unseren Teamkollegen stattfinden. Diese verliefen vielversprechend.


Betrachtung des Christuskopfes, um 1517-1520 | © Draiflessen Collection, Foto/photo: Henning Rogge

Über Kunst sprechen …?!

Als wir die Methode bei einer Informationsveranstaltung für Lehrkräfte vorstellten, gab es neben spontanem Zuspruch auch vereinzelt Skepsis: Würden wir die Kinder dazu bewegen können, über Kunst zu sprechen? Wie würden sie sich einbringen und was würden sie dabei lernen? Was würden Grundschüler aus einer solchen Ausstellung mitnehmen? Das fanden wir selber auch spannend.

Die Schulklassen, die wir mit unterschiedlichen, auf das jeweilige Alter abgestimmten Aktivbögen durch die Ausstellung begleiteten, gaben uns positive Rückmeldungen. Wir hatten Grundschulen, Förderschulen und weiterführende Schulen nebst Oberstufen zu Gast. Die Kinder und Jugendlichen lobten, dass es bei uns nicht langweilig sei und überhaupt ganz anders, als sie sich einen Museumsbesuch vorgestellt hatten. Den jungen Gästen gefiel, dass sie über Kunst sprechen und ihre Meinung sagen konnten, dass wir zuhören und diskutieren wollten und dass sie sich in den Diskussionen ernstgenommen fühlten. 

Bei einer öffentlichen Sonntagsführung hatten wir dann ein Mädchen aus einer einige Tage zuvor geführten Schulklasse bei uns. Sie hatte ihre Eltern mitgebracht und führte diese nun ihrerseits durch die Ausstellung. Ein anderes Mädchen brachte ihre Mutter mit und zeigte ihr ihre Lieblingswerke und konnte dabei ganz genau benennen, was sie an diesen Werken so bemerkenswert fand.


Kunst betrachten | © Draiflessen Collection

Kunst hilft beim Nachdenken!

Was haben wir gelernt? Dass wir Kindern mehr zutrauen dürfen. Es gab Redebeiträge von Schülern, die uns mehr als überrascht haben. Häufig nahmen sie Kunst als etwas wahr, das lebensnotwendig und ein tolles Ausdrucksmittel sei, das ihnen „beim Nachdenken helfe“ (O-Ton 4. Klasse). Wunderbar. Und was gibt es schöneres, als wenn ein Kind verlangt, länger in einer Ausstellung bleiben zu dürfen als geplant? Es gäbe ja noch so viel zu sehen! 

Eine weitere Bereicherung unseres Methodenpools wurde im Laufe der Vorbereitungen eine neue Methode, die in den Niederlanden bereits angewandt wird. Es handelt sich hierbei ebenfalls nicht um ein klassischen Führen durch eine Ausstellung, sondern hier liegt der Schwerpunkt auf der intensiven Betrachtung eines selbst ausgesuchten Werkes. Der Betrachter kann nach einer genauen Bestandsaufnahme des Werkes mit seiner eigenen kreativen Energie verarbeiten, was er sieht und aufgenommen hat. Diese Methode kann das Lernen erleichtern und eignet sich für jedes Alter. International wird sie bereits von niederländischen Schulen angewandt, die damit – auch in Fächern wie Mathematik und Technik – große Erfolge verzeichnen konnten. 


Slow Art | © Draiflessen Collection

Slow Art

Auf der Basis dieser Erfahrungen planen wir, während der kommenden Ausstellung am International Slow Art Day (Samstag, 14.04.2018) teilzunehmen. Ähnlich wie bei der zuvor beschriebenen Methode bekommen Besucher die Gelegenheit, eine intensive Begegnung mit Kunst zu erleben. Zeit spielt dabei eine große Rolle, aber auch eine lebhafte Diskussion miteinander im Anschluss an die Betrachtung.

Auf der englischsprachigen Website www.slowartday.com ist eine Liste der teilnehmenden Museen rund um die Welt zu finden, darunter das National Museum of Women in the Arts in Washington, die Kunsthalle Hamburg, das Wallraf-Richartz in Köln und das Museo Eduardo Carrillo in Santa Cruz, Kalifornien. Wir werden je eine Führung für Kinder ab zehn Jahren und eine für Erwachsene anbieten.

Wir freuen uns sehr auf die kommende Ausstellung „Der Fall der Sterne“ und auf weitere spannende Abenteuer mit der Kunst, Kunst zu betrachten.


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