14.03.2018

Der Fall der Sterne. Behind the Scenes

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Am 18. März 2018 eröffnet die Ausstellung „Der Fall der Sterne“. Konzipiert und umgesetzt wurde diese von den Kuratorinnen Iris Ellers und Andrea Kambartel. Wie entstand die Idee zu dieser Präsentation, die drei künstlerische Positionen aus ganz unterschiedlichen Epochen, Bildwelten und Medien in einen räumlichen und inhaltlichen Zusammenhang bringt?
Das Thema – Apokalypse – ist nun offensichtlich nicht nur Stoff für die Filmindustrie der Gegenwart, sondern fasziniert Menschen bereits seit Jahrhunderten, inspiriert und beschäftigt Künstler, Schriftsteller oder Theologen. So finden in der Präsentation Julian Rosefeldts (*1965) Videoarbeit „In the Land of Drought“ von 2015/17, Albrecht Dürers (1471–1528) Darstellungen der Johannesoffenbarung sowie die 15 endzeitlichen Ankündigungen des Theologen Johannes Gerson (1363–1429) erstmals zusammen. Bei aller Verschiedenheit in Intention und Interpretation verbindet doch alle drei Kunstwerke die Vorstellung eines Weltuntergangs, der nicht als endgültiges Ende, sondern vielmehr als Beginn von etwas Neuem aufgefasst werden kann.

Der Fall der Sterne | © Draiflessen Collection

Idee

Bereits sehr früh fanden die Direktorin Dr. Corinna Otto und die beiden Kuratorinnen zu Planungen  für „Der Fall der Sterne“ zusammen. Ihre ersten gemeinsamen Überlegungen gründeten auf dem Wunsch, die 2017 von Corinna Otto für die Sammlung erworbene Arbeit von Julian Rosefeldt dem Publikum zeitnah auf der Ausstellungsfläche zu präsentieren. Parallel dazu sollte in einer separaten Ausstellung im Studiensaal Liberna eine Auswahl von Grafiken, Büchern und Schriften der Liberna Collection zum Thema Apokalypse aus mehreren Jahrhunderten gezeigt werden. Dann stellten sich jedoch die Frage, warum man die Werke nicht gleich gemeinsam in einen direkten visuellen Zusammenhang bringen soll. Mit diesem Konzept konnte nun auch die bereits länger bestehende Idee Corinna Ottos, Stücke aus der Liberna Collection mit einer zeitgenössischen Arbeit zu kombinieren, erstmalig umgesetzt werden.

Julian Rosefeldt, In the Land of Drought, 2015/2017 (Filmstill) | © Draiflessen Collection, © Julian Rosefeldt, VG Bild-Kunst, Bonn, 2018

Raum schaffen

Die letzte Ausstellung „Dem Bild gegenüber“ hat die Besucher erfolgreich zum Dialog mit den Kunstwerken und auch zum gemeinsamen Gespräch über diese angeregt. Basierend auf dieser sehr positiven Erfahrung war allen Beteiligten wichtig, dass auch mit der neuen Präsentation die Möglichkeit der intensiven Betrachtung und des Austauschs geschaffen werden solle.
Das hieß für die Kuratorinnen also, Raum zu schaffen – und das nicht nur im wörtlichen Sinn: Schnell war klar, das Ziel der Ausstellung werde nicht sein, einen umfassenden und objektgewaltigen Überblick über das Thema Apokalypse zu präsentieren. Im Gegenteil, diese wurde bewusst auf die drei individuellen Umsetzungen reduziert. Genau das, so betonen die Kuratorinnen, ermögliche dem Besucher, sich in Ruhe mit dem jeweiligen Werk auseinanderzusetzen und: seinen eigenen Gedanken Raum zu geben – Rosefeldts Filmarbeit läuft immerhin gut 40 Minuten. Auf diese Weise könne man jede Arbeit für sich allein sowie im Zusammenspiel mit den beiden anderen Positionen auf sich wirken lassen, „ohne dass man das Gefühl hat, man verpasst etwas“, so Andrea Kambartel. Sie verweist mit diesem Ansatz auch auf zwei Rahmenveranstaltungen zu dieser Ausstellung: Am 14. April 2018, am „International Slow Art Day“,  bietet die Draiflessen Collection zwei besondere Führungen, eine für Kinder und eine für Erwachsene. „Slow Art“ verfolgt das Ziel, sich ganz bewusst und in aller Ruhe auf eine minimale Auswahl an Kunstwerken einzulassen (s. dazu auch Blog #13).

Eintauchen in Bildwelten

Die Werke der Ausstellung sind so präsentiert, dass der Besucher angeregt wird, zunächst in den Raum mit Albrecht Dürers 15 großformatigen Holzschnitten (jeweils ca. 39 x 28 cm, entstanden zwischen 1496 und 1498) einzutreten. Unter den prachtvoll ausgestalteten Bildwelten zur Johannesoffenbarung  gehören „Die apokalyptischen Reiter“ oder „Michaels Kampf mit dem Drachen“ vermutlich zu den populärsten Motiven. Es war übrigens Dürers Blatt „Der Fall der Sterne“, das die Idee zum Ausstellungstitel geliefert hat.
Von Dürers Arbeiten aus gelangt man direkt in den großen Raum mit der Videoinstallation Rosefeldts – die Stirnwand ist nahezu komplett vom großen Filmscreen bestimmt. Im Anschluss an die Filmvorführung trifft der Besucher dann im dritten Raum auf das eher kleine und zunächst vergleichsweise unscheinbar wirkende Buch (20,6 x 14,4 cm) des Theologen Johannes Gerson. Eine besondere Präsentation ermöglicht allerdings, dessen „15 Zeichen vor dem Jüngsten Gericht“ in allen Details betrachten zu können. 1503 veröffentlicht, verfügt die Liberna Collection offenbar über das einzige Original des Büchleins!

Albrecht Dürer, Die apokalyptischen Reiter, aus: Albrecht Dürer, Apocalipsis cu[m] figuris, Nürnberg: Anton Koberger für Albrecht Dürer, 1498 | © Draiflessen Collection, Foto/photo: Henning Rogge
Johannes Gerson, Een seer schoon boecxken ghenoemt van den. Vijfthien vreesselijke bitter teekene[n]. […], Antwerpen: [Jan Dinghelsche alias Lettersnijder], 1503 | © Draiflessen Collection, Foto/photo: Henning Rogge

Apokalypse = Weltende?

Eine besondere Erfahrung insbesondere im Prozess der inhaltlichen Vorbereitung der Ausstellung, so schildern Iris Ellers und Andrea Kambartel, waren die zahlreichen und spannenden gemeinsamen Gespräche zum „großen Thema“ Apokalypse. Jeder kennt das Wort, dennoch verbindet jeder damit etwas anderes – je nach Lebensalter, religiöser Zugehörigkeit oder Zeitalter. Für den im christlichen Glauben erzogenen Menschen ist vermutlich zumindest die Vorstellung selbstverständlich, dass es nie „nur“ einen Weltuntergang gibt und immer auch eine „Welt nach der Welt“.  So wohnt laut der biblischen Offenbarung dem Beginn der Welt bereits die Apokalypse, der Weltuntergang inne, steht ein Ende aber immer auch für einen Neuanfang. Dieser  gewissermaßen göttlich gegebene Kreislauf hat dem mittelalterlichen Menschen Trost und die Hoffnung auf eine bessere Welt „danach“ vermittelt. Dem nicht biblisch geprägten Menschen der Gegenwart erscheint das möglicherweise schwer nachvollziehbar. Dieser mag in Rosefeldts Arbeit vor allem das desolate Ergebnis menschlichen Raubbaus an der Umwelt ohne jegliches göttliche Zutun thematisiert sehen. Aber auch in Rosefeldts Umsetzung gibt es ein „danach“ – zumindest in Form menschlichen Lebens. Also ist auch hier noch nicht alles verloren?
Das „Prinzip Hoffnung“, so betont Iris Ellers, sei bei aller Verschiedenheit der drei Künstler, und ihrer Werke letztlich also das einende Element – und das über eine Zeitspanne von weit über 500 Jahren. 

Albrecht Dürer, Der Sternenfall, um 1497/98 (Ausschnitt) | © Draiflessen Collection, Mettingen

Iris Ellers hat an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Neuere und Neueste Geschichte, Historische Hilfswissenschaften und Soziologie studiert. Sie arbeitet seit 2008 für die Draiflessen Collection und ist Kuratorin der Liberna Collection.


Andrea Kambartel gehört seit 2007 zum Team und hat an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Kunstgeschichte, Klassische Archäologie und Wirtschaftspolitik studiert. Sie hat als wissenschaftliche Mitarbeiterin an vielen Ausstellungsprojekten der Draiflessen Collection mitgewirkt.

Kommentare

7.04.2018 - 11:06
Stefan Balter
Der Fall der Sterne, ein bewegendes Thema, damals und, bedrohlicher, heute - unwirklich, gottverlassen. Erlösend waren Wort und Musik. Eine sehr gelungene Ausstellung, in einer Kunsthalle von zeitlos schöner Architektur. Ich würde mich freuen, wenn neben dem Katalog auch die Audioproduktion zur Ausstellung erhältlich wäre. Bitte, um Nachricht, falls Bezug möglich.
9.04.2018 - 11:17
Team Draiflessen Collection
Hallo Herr Balter, vielen Dank für Ihr so positives Feedback, über das wir uns sehr freuen! Leider gibt es die Audioproduktion nicht als kaufbare Version oder zum Download. Gerne schicken wir Ihnen aber das Verzeichnis der Aufnahmen in den Hörstationen.
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