26.09.2018

... für (fast) alle Sinne

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Als Erstes wurden die Nase und damit der Geruchssinn angeregt: Bereits von Weitem wurden die Besucher durch den Waffelduft angelockt, der sich im Museumscafé ausbreitete. Schön gedeckte Tische und das Veeh-Harfen-Ensemble aus dem Altenheim Maria-Frieden in Mettingen, verstärkt durch Mitglieder des Veeh-Harfenzaubers aus Westerkappeln, bildeten den Rahmen für den Familiennachmittag für demenziell erkrankte Menschen, ihre Angehörigen und Betreuer.

Für (fast) alle Sinne | © Draiflessen Collection

Feeharfe, nein Veeh-Harfe …

Hört man den Begriff „Veeh-Harfe“, assoziiert man vielleicht spontan das Saiteninstrument eines niedlichen Flügelwesens, liest man ihn, stellt sich bei vielen sicher die Frage, was das denn nun ist. Die Veeh-Harfe ist ein leicht erlernbares Zupfinstrument, das Ende der 1980er-Jahre von Hermann Veeh erfunden wurde. Es besteht aus nur wenigen Saiten und lässt sich auch bequem auf einem Tisch abstellen. Die eigens dafür konzipierten Notenblätter werden unter die Saiten geschoben, sodass das Instrument auch ohne jegliche Notenkenntnisse zu bedienen ist. Hermann Veeh ermöglichte so seinem Sohn Andreas, der mit Down-Syndrom geboren wurde, ein Musikinstrument zu spielen. Die Veeh-Harfe eignet sich als Soloinstrument, ist besonders schön in einem Ensemble zu erleben und geeignet nicht nur für Menschen, die keine Noten erlernt haben, sondern auch für diejenigen, die diese nicht lernen können oder sie vielleicht schon vergessen haben.

Veeh harps | © Draiflessen Collection

Museum als Ort für (fast) alle Sinne

Im Rahmen der ersten Steinfurter Demenzwochen vom 1. bis zum 30.  September 2018 hatte sich die Draiflessen Collection gemeinsam mit  Eva Reuther, der Einrichtungsleiterin des Altenheims Maria-Frieden, einen besonderen Programmpunkt  überlegt: Das Museum als Ort der Begegnung, als Ort für alle und als Ort für (fast) alle Sinne für demenziell erkrankte Menschen. Museumserlebnis und Demenz schließen sich nicht aus:  Diese Erfahrung haben wir schon Anfang des Jahres gemacht, als wir eine Gruppe von demenziell erkrankten Menschen durch die Ausstellung „Dem Bild gegenüber“ geführt haben. Für uns war das ein schönes und Mut machendes Erlebnis, das allen Beteiligten Freude bereitet hat. Weitere Veranstaltungen in diesem Rahmen waren damit  beschlossene Sache, die Steinfurter Demenzwochen eine willkommene Gelegenheit.

Tour for Dementia Sufferers | © Draiflessen Collection

Lieder sind gegen das Vergessen immun

Das Veeh-Harfen Ensemble unter der Leitung von Veronika Hoffstädt spielte irische Weisen und vertraute Volkslieder – warme Melodien erfüllten nach der anfänglichen Aufgeregtheit den Raum. Nach und nach fielen die Besucher mit ein, erklangen immer mehr Stimmen  ̶  die Demenz lässt vieles vergessen, doch die in der Kindheit gelernten Lieder sind lange Zeit gegen das Vergessen immun. „Die Gedanken sind frei“, „Kein schöner Land“ und „Ännchen von Tharau“ wurden erst etwas zögerlich, dann aber mit großer Begeisterung gemeinschaftlich gesungen.

"Julchen" | © Max Ciolek, mit freundlicher Genehmigung von Living Puppets

Auftritt: „Julchen“

Etwas vorlaut und gar nicht schüchtern mischte sich dann die Handpuppe „Julchen“, einfühlsam interpretiert von Sabine Meyer vom Erzähltheater Osnabrück, in das Geschehen ein. Schon nach ein paar Sekunden gelang es Sabine Meyer, hinter ihrer Puppe „unsichtbar“ zu werden – für die Besucher existierte nur noch Julchen, die etwas vorwitzig von dem einem zum nächsten ging, sich anfassen und streicheln ließ und über Kindergarten, Musik, Mütter, Waffeln und die Welt parlierte. Dabei griff sie so manches Wort auf und entwickelte daraus ein fröhliches Gespräch.


Sabine Meyer hat 2016 eine Studie initiiert, die die Wirkung von Klappmaulpuppen wie „Julchen“ auf Menschen mit Demenz untersucht. Diese Puppen, richtig eingesetzt, öffnen die Türen in die oft verschlossene innere Welt der Demenzkranken. So eroberte Julchen in kürzester Zeit die Aufmerksamkeit und die Herzen der Besucher, da sie sehr unbefangen Fragen stellte, auf die sich ihr jeweiliges Gegenüber auch einließ. Julchens Auftritt fand seinen Höhepunkt in dem gemeinsamen Musizieren mit dem Veeh-Harfen-Ensemble. Ein kräftiger Griff der großen Puppenhand in die Saiten der Gitarre von Veronika Hoffstädt ließ das Abschlusslied „Kein schöner Land“ zu einem schönen und auch bewegenden Gemeinschaftserlebnis werden.


Ein Bericht von Susanne Bornemann, Leitung Museumspädagogik und Vermittlung

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