26.06.2019

Vier Fragen zum Glauben II

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Projektion in der Ausstellung Glaube | © Draiflessen Collection, Foto: Angela von Brill

Glaube – ein Begriff, der gar nicht so leicht von individuellen Vorstellungen und Erwartungen zu trennen ist. Jeder hat sicher seine ganz eigene Idee davon, was Glaube für ihn persönlich bedeutet. Das ist womöglich auch unabhängig davon, ob man sich selbst als gläubig bezeichnen würde. Glaube wird für die allermeisten kaum von religiösen Gedanken und Praktiken zu trennen sein. Dennoch möchte sich unsere aktuelle Ausstellung ein Stück weit von herrschenden Vorstellungen und Gewohnheiten lösen – beziehungsweise zumindest eine Auseinandersetzung mit den eigenen Auffassungen anregen.
Vor dem Beginn der Ausstellung haben wir vier separate Gespräche mit Vertretern unterschiedlicher Glaubensrichtungen gesucht, um durch diese Interviews möglicherweise ebenso diverse Sichtweisen zu dem Thema ins Spiel zu bringen. Daraus ist eine vierteilige Blog-Serie entstanden, welche in jedem Teil die Antworten von Imam Luqman Ahmad Shahid, Rabbi Avraham Radbil, dem evangelischen Pastor Kay-Uwe Kopton und dem katholischen Pastor Timo Holtmann zu je einer Frage wiedergibt. Die Blogbeiträge vermitteln über die Ausstellung hinaus einen Einblick in unterschiedliche Glaubensvorstellungen.


Die zweite Frage, die wir in den Gesprächen gestellt haben, zielte darauf zu erfahren, woran die Geistlichen selbst glauben und ob ihre eigenen Vorstellungen womöglich über das hinaus gehen, was sie in ihrer Position vertreten. Direkt sind sich alle einig: ihre persönlichen Glaubensvorstellungen sind nicht von ihrer Stellung als Vertreter ihrer Religion zu trennen.

„Die Religion sieht den Mensch als Mensch.“

„Wenn es Fragen gibt, dann betrachten wir diese von einem religiösen Standpunkt aus, um sie zu beantworten“, gibt Rabbi Radbil dazu zu bedenken. Außerdem würden die religiösen Praktiken des Judentums in alle Bereiche des Alltags herein ragen, so dass alles im Leben im Glauben verbunden sei. Auch für Imam Shahid „sollte nichts abseits der Religion sein“. Um das zu verdeutlichen, beschreibt er, dass die Natur des Menschen darin besteht, das Richtige tun zu wollen: der Mensch wolle nicht lügen oder betrügen. Hier klingt ein grundsätzlicher Glaube an das Guten im Menschen an und das sei auch die Natur des Menschen, unabhängig davon woran er glaubt – und diese Natur sei eben auch vom Schöpfer geschaffen worden. „Die Religion sieht den Mensch als Mensch“, sagt Shahid. Also sieht sie auch die Fehler, die Misserfolge oder Fehlleitungen und trotzdem seien die Menschen im Glauben immer willkommen.

„Ich glaube, das wird heute gut.“

Pastor Holtmann glaubt an Gott, der sich den Menschen offenbart hat. Er erzählt im Gespräch von einem seiner Dozenten im Studium, der seine Studenten anwies erst Mensch, dann Christ und anschließend Priester zu werden. Denn im Christentum ist es die Menschwerdung Gottes durch Jesus, die Gott in Holtmanns Augen ganz persönlich werden lässt. Damit wird die Nähe zwischen Gott und den Menschen und damit nicht zuletzt die Verbindung zwischen Mensch und Religion deutlich. So habe sich Gott den Menschen offenbart und das verbinde die christliche Religion wiederum mit dem Judentum und dem Islam: „Wir sind Offenbarungsreligionen.“ Auf die Nachfrage, ob denn der Glaubensbegriff des Pastors über das Religiöse hinausgehe, antwortete er: „In Vorbereitung auf unser Gespräch habe ich zum Beispiel gedacht: ‚Ich glaube, das wird heute gut.‘“ Unsere Sprache verrate also bereits, dass das Wort ‚glauben‘ nicht nur rein religiös zu verstehen ist und der Begriff frei bleiben solle. Dennoch betont Holtmann, dass sein persönliches Verständnis natürlich religiös geprägt ist.

„Glaube ist keine Ansammlung von Richtigkeiten“

Bei dieser Frage antwortet Pastor Kopton sofort: „Ich glaube an einen dreieinigen Gott; Vater, Sohn und Heiliger Geist“. Darüber hinaus habe der Glaube aber noch zwei Dimensionen: Vertrauen und Erkenntnis. Damit verweist Kopton auf den Heidelberger Katechismus, dem er sich in intensiver Auseinandersetzung gewidmet habe. Dieser Katechismus erläutert, dass Glaube eine Verbindung zwischen Erkenntnis und Vertrauen ist, so Kay-Uwe Kopton. Die Erkenntnis stehe dafür, dass der Glaube nicht kopflos sein dürfe, sonst verkomme er zu einer Gefühlsduselei, erläutert der Pastor. Gleichzeitig darf dieser aber auch nicht nur eine Ansammlung von „Richtigkeiten“ sein, denn dann wäre er herzlos und ihm fehle das Vertrauen. „Herz und Kopf müssen zusammen kommen“, meint Kopton, sonst werde der Glauben zu einer Kümmerform.

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