08.04.2020

Kleines Lexikon der Buchmalerei (German)

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Die Kabinettausstellung AM DRITTEN TAGE … zeigt eine Auswahl von Stunden- und Gebetbüchern der Tuliba Collection, einer der Liberna Collection nahestehenden Privatsammlung. Dabei stehen die farbenprächtigen Illuminationen der handgefertigten Bücher, welche die Auferstehung Christi und die Seelenfahrt der Gläubigen zeigen, im Fokus der Ausstellung. Die aufwendigen Bilder liefern nicht nur einen Einblick in die religiösen Vorstellungen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, sondern auch in die Traditionen der Buchmalerei vor und während der Buchdruckzeit. Während es im Mittelalter noch üblich war, das Bücher in Klöstern kopiert und vermehrt wurden, stammen die Ausstellungsstücke aus einer Zeit, in der die Buchproduktion bereits in eigens dafür vorgesehenen Werkstätten stattfand.


Um die Buchmalereien unserer Ausstellung und ihren Kontext besser zu verstehen, sollen einige wichtige Begriffe dieser Kunstform hier genauer erklärt werden.

Stundenbuch in der Ausstellung AM DRITTEN TAGE ... | © Draiflessen Collection (Tuliba), Mettingen

Stundenbuch

Stundenbücher sind Gebetsbücher für den privaten Gebrauch, die den Tag in verschiedene Gebetstunden [KT1] gliedern. Diese Bücher sind Teil einer persönlichen, religiösen Praxis und sollen eine christliche Lebensweise stützen, in dem die Tageseinteilung dem klösterlichen Alltag nachempfunden ist. Der inhaltliche Aufbau von Stundenbüchern ist nahezu einheitlich: Die enthaltenen Texte sind bestimmten Tageszeiten – also Stunden – zugeordnet, wodurch sich einzelne Kapitel ergeben und die religiöse Andacht untergliedern. Psalme und Gebete zum Leben Mariens, zur Passion und Andachtsübungen sind im Normalfall Teil eines Stundenbuchs. Zudem schmücken reiche Buchmalereien die unterschiedlichen Texte, die thematisch passende Szenen zu den jeweiligen Kapiteln zeigen und damit die Vertiefung in das Gebet begleiten soll.

Book of Hours, in Dutch, Zwolle, ca. 1465–75 | © Draiflessen Collection (Tuliba)

Initiale

Der Begriff leitet sich vom lateinischen Begriff initium ab, dessen Bedeutung „Beginn“ oder „Anfang“ ist. Eine Initiale markiert den Anfang eines Textabschnitts oder Kapitels und hebt dabei den ersten Buchstaben farblich und in Größe hervor, wobei dieser oft zusätzlich noch reich verziert wurde. Rankenwerk und Blumen oder auch Figuren, die den Buchstaben gewissermaßen bewohnen, geben den Initialen einen besonderen gestalterischen Wert. Die Verzierungen können – aber sie  müssen nicht – direkten, inhaltlichen Bezug auf die Texte nehmen, an deren Anfang sie stehen.

Initiale im Stundenbuch | © Draiflessen Collection (Tuliba), Mettingen

Miniaturen

Tatsächlich weist der Begriff „Miniatur“ als Bezeichnung der Malereien innerhalb eines Buches nicht auf die Größe der Bilder hin, wie man annehmen könnte, sondern er bezieht sich auf das lateinische Wort minium für den Farbstoff „Mennige“. In der mittelalterlichen Buchmalerei wurde dieser rote Farbstoff  an vielen Stellen der Verzierungen genutzt, daher der Name. Miniaturen sind grundsätzlich alle Malereien, die der Illustration und Schmückung eines Manuskripttextes dienen: von ganz- oder halbseitigen, detailreichen Szenen über kleinere Bilder, die in das Layout des Textes integriert sind, bis hin zu Initialen und Randverzierungen.

Book of Hours, in Latin, Bruges, ca. 1450–60 | © Draiflessen Collection (Tuliba)

Manuskript

Heute versteht man unter dem Begriff „Manuskript“ eher so etwas wie eine Roman- oder Drehbuchvorlage. Kunst- und kulturwissenschaftlich werden jedoch mit der Hand geschriebene Texte als Manuskripte bezeichnet. Dazu zählen also auch die Bücher des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, die vor dem Buchdruck mit der Hand kopiert wurden, ebenso wie Briefe und andere Schriftstücke. 

Text und Verzierung in einem Stundenbuch | © Draiflessen Collection (Tuliba), Mettingen

Laie

Bedarf dieser Begriff überhaupt einer Erklärung und was hat er mit Buchmalerei zu tun? Immerhin begegnet er der*dem Besucher*in doch immer wieder in der Ausstellung und auch im Zusammenhang mit den Stundenbüchern. Ein Laie bedeutet aber nicht „jeder Christ außer dem Klerus“, sondern er bezieht sich in der Zeit, aus der die ausgestellten Manuskripte stammen, ausschließlich auf adelige Laien. Denn ein Stundenbuch war ein kostbarer und vor allem auch kostspieliger Besitz und nicht jedem vorbehalten, ebenso wie zu dieser Zeit auch nur die Obersten der Gesellschaft lesen konnten.

Illustration oder Illumination?

Den Begriff Illustration, wie er heute im deutschen Sprachgebrauch verwendet wird, ist erst seit etwa 1840 gängig. Illustrationen dienen dazu, den Inhalt eines Textes anschaulich darzustellen und somit den Eindruck des Geschriebenen zu verstärken – sie sind damit auch Teil der Gestaltung eines Buches. Illuminationen erfüllen diese Eigenschaft ebenso, bezeichnen aber vielmehr den gesamten Buchschmuck, also auch Initiale und Verzierung der  Seitenränder. So wird der Begriff Illumination gerade in der Buchmalerei verwendet, insbesondere bei einer Ergänzung der Malereien durch Vergoldungen (illuminare = erleuchten). In diesem Zusammenhang spricht man dann auch von den Herstellern dieses Buchschmucks als Illuminatoren.

Book of Hours, in Latin, Bruges, ca. 1430–50 | © Draiflessen Collection (Tuliba), Foto: Stephan Kube

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