22.04.2021

Das, was sonst im Dunkeln bleibt …

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Das 17. Jahrhundert gilt in den Niederlanden als Goldenes Zeitalter. Dabei ruft die Bezeichnung mit dem Edelmetall unter anderem Assoziationen mit Sonne, Glanz, Glück, Gewinn und vor allem Reichtum und Ruhm hervor. Die Republik der Sieben Vereinigten Provinzen (im Weiteren als Niederländische Republik, Republik oder Niederlande bezeichnet) hat verschiedenste soziale, kulturelle und politische Entwicklungen durchlaufen, doch besonders das ökonomische Wachstum prägte die Niederlande im 17. Jahrhundert. Dieser wirtschaftliche Aufschwung ist jedoch nicht nur positiv zu sehen, er brachte auch Schattenseiten mit sich.
Diese „dunkle Seite“ der damaligen Zeit möchte der Blogbeitrag näher beleuchten und dabei den Bezug zur Kabinettausstellung SEESTÜCKE herstellen. Die lädt nämlich auch dazu ein, sich (kritisch) mit dem Sklavenhandel der kolonial geprägten Zeit auseinanderzusetzen. Denn Tatsache ist, dass die Niederländische Ostindien-Kompanie (VOC) und die Westindien-Kompanie (WIC) über die von ihnen angelegten Handelsrouten versklavte Menschen verschifften. 

Hendrik Cornelisz Vroom, Kriegsschiffe auf ruhigem Wasser (recto), 16./17.Jahrhundert, Draiflessen Collection (Liberna), Mettingen | © Draiflessen Collection

Wer waren diese beiden Kompanien und was hatten sie mit dem Sklavenhandel zu tun?

Die beiden Unternehmungen der VOC und WIC waren ursächlich für den wirtschaftlichen Erfolg der Republik und der meisten ihrer Einwohner. Die 1602 gegründete VOC brachte Stoffe, Möbel und Kräuter aus China und Indien in die Niederlande. Dabei handelten sie an unterschiedlichen Orten der Küste Asiens, wo sie auch eigene Siedlungen errichteten – die Bekannteste davon ist Batavia, heute die indonesische Hauptstadt Jakarta. Die heimische Bevölkerung litt unter der Ausbeutung der niederländischen Kolonialisten und wurde bereits in ihrer Heimat versklavt. Während sich die VOC im Indischen Ozean ausbreitete, wurde der Atlantische Ozean durch die WIC befahren. Die WIC, 1621 mit einem Handelspatent ausgestattet, wurde 1674 nach Vorbild der VOC komplett umorganisiert und konzentrierte sich fortan auf den Sklavenhandel mit Afrika. Sie befuhr im Wesentlichen die transatlantische Route und brachte unter anderem Gold, Elfenbein, Tabak, Zucker und Farbstoffe von ihren Reisen mit. Über ihre Handelsrouten verschiffte sie systematisch Versklavte von Afrika nach Amerika in die dortigen niederländischen Kolonien. Diese befanden sich auf den karibischen Inseln und im Guyana-Gebiet. Dort wurden die Versklavten unter anderem als Plantagenarbeiter verkauft oder als Tauschware gehandelt. Auf diese Weise gelangte die erhaltene „Umtauschware“ in die Niederländische Republik.
Die damalige Route der WIC dauerte ungefähr 500 Tage und verlief von der Republik der Niederlande über Westafrika nach Südamerika und wieder zurück in die Niederländische Republik. Diese Handelsroute wird als sogenannter Dreieckshandel bezeichnet. 

Frans Huys (nach Pieter Bruegel I), Ein Viermaster und zwei Dreimaster ankern vor einer Insel mit Leuchtturm, 1560er-Jahre, Tuliba Collection | © Tiluba Collection

Zusammengepfercht in Laderäumen

Auf den vollbeladen Schiffen fuhren also Menschen mit, die ihren Heimatort nie mehr wiedersehen würden. Zusammengepfercht in Laderäumen, mussten viele aufgrund der erbärmlichen Zustände oder bei Stürmen ihr Leben lassen. Der Umgang mit ihnen, als wären sie „Produkte“ oder „Handelsware“, begann schon vor der Einschiffung in Afrika. Vielen wurde bereits in ihrer Heimat der Sklaven-Status auferlegt; oftmals jedoch schon durch Stammeskriege begründet, in denen die Gewinner dem unterlegenen Stamm Sklaven als Erlös abnahmen – ein System, das zum Beispiel ebenfalls im Römischen Reich genutzt wurde.
Die Menschen wurden für Handelsgut eingetauscht und zu den niederländischen Festungen an der Küste gebracht. Dort wurden sie ebenfalls menschenunwürdig behandelt. So war Gewalt und Missbrauch gegen Männer, Frauen und Kinder üblich. Wenn die Zeit zum Ablegen gekommen war, wurden sie auf ein Schiff gebracht und es wurde ihnen ein Platz zugewiesen. Einmal auf dem Schiff, waren die Überlebenschancen gering: Die Bewegungsfreiheit, das Tageslicht, das Wasser und die Nahrung waren auf ein Minimum reduziert. Und dann blieb nur zu hoffen, dass keine Krankheiten mit an Bord waren.

Frans Huys (nach Pieter Bruegel I), Ein bewaffneter Viermaster verlässt einen Hafen, 16. Jahrhundert, Tuliba Collection | © Tiluba Collection

An neuen Ufern

Direkt nach der Ankunft des Schiffes im Hafen wurden die Versklavten an Land gebracht und verkauft, um anschließend auf Plantagen oder im Haus des neuen „Eigentümers“ zu arbeiten. Der Preis war hauptsächlich abhängig vom Geschlecht, Alter und der Gesundheit. Dabei hatten die versklavten Frauen und Kinder die Aufgabe, die Population der unfreien Arbeitskräfte aufrechtzuerhalten. Das erhaltene Geld und die Produkte, die die WIC im Tausch für die Versklavten bekommen hatte, wurde, ohne dass sie sich weitere Gedanken über diejenigen machten, die sie verkauften, akzeptiert; weil sie die Versklavten nicht als Menschen sahen, sondern nur als billige Arbeitskräfte.


Dieser kurze, allgemeine Einblick ergänzt die Betrachtung der Kunstwerke um eine neue, zeitgemäße Perspektive auf das Genre Seestück. Das Kunstgenre offenbart die Verbundenheit zum Wasser und den Reisenden auf See, hauptsächlich geht es aber um den Stolz der Niederländischen Republik auf ihren wirtschaftlichen Erfolg als Seehandelsmacht. Neben diesem Stolz, den wir mit unserem heutigen Blick besser erfassen können, sind die dunklen Schattenseiten bei der Betrachtung der Kunstwerke jedoch mitzunehmen. Nicht nur in unserer Kabinettausstellung SEESTÜCKE, sondern auch im gesellschaftlichen Diskurs sind diese Aspekte zu reflektieren. Derzeit setzen sich die Niederlande zunehmend mit ihrer eigenen Vergangenheit kritisch auseinander und stellen sich dabei den heutigen Vorurteilen. Vielleicht regt diese Debatte uns dazu an, unsere eigene Geschichte neu zu betrachten, wodurch neue Fragestellungen hervorgerufen werden können, die eine Öffnung für ein Gespräch sein können.

Ein Beitrag von Pia Kuik.
Pia Kuik hat Kulturwissensschaften und Kultur Management studiert. Seit 2019 arbeitet sie bei der Draiflessen Collection als Volontärin in der Museumpädagogik und Vermittlung Abteilung.

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