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Alejandro Cesarco
Auf sechs großen, gerahmten Drucken präsentiert der aus Uruguay stammende Künstler Alejandro Cesarco seine Arbeit Index (An Orphan). Es handelt sich um ein alphabetisch geordnetes Register von Schlagworten mit Seitenzahlen. Was jedoch fehlt, ist das, worauf sich Schlagworte eines Indexes in der Regel beziehen: der Inhalt. Cesarco lässt diese Erwartung ins Leere laufen. Namen aus der Kultur- und Kunstgeschichte stehen neben Hollywoodstars und Begriffen aus der Psychoanalyse, dazwischen finden sich detaillierte Einträge zum Thema Kindheit, Verlust und Trauer. Warum fehlt der eigentliche Text, auf den sich das Register bezieht? Was hat der Untertitel, der auf ein Waisenkind anspielt, mit der Zusammenstellung der Schlagworte zu tun? Handelt es sich um eine Geschichte, die nicht erzählt oder die anders erzählt werden soll? Für wen wurde dieses Register erstellt?
Es ist ein besonderes Merkmal von uns Menschen, dass wir uns Geschichten erzählen, um die Welt zu verstehen, Erlebtes zu verarbeiten und Erfahrungen zu teilen. Alejandro Cesarco bezieht sich auf eine sprachliche Konvention, die dem Muster von Anfang und Ende folgt und Geschichten eher geradlinig schildert. Er bietet uns dagegen eine andere Art, Geschichten zu erzählen, an. Seit mehr als 24 Jahren entwickelt er Indizes für Bücher, die es nicht gibt und wohl auch nie geben wird. Indem er uns nur Schlagworte mit Seitenzahlen präsentiert, fordert er uns auf, selbst Geschichten zu entwickeln, Erinnerungen mit Fakten und Erfundenem zu verbinden und mehrere Geschichten im Kopf entstehen zu lassen, die mitunter keinen Anfang und kein Ende haben.